Kritiken

Fernweh nach Korea

Mit seiner Performance Haribo Kimchi nahm Jaha Koo die Zuschauer:innen mit in die nächtlichen Straßen einer südkoreanischen Stadt. Noch nie hat mich eine künstlerisch-virtuelle Reise so nahe an ein reales Ziel gebracht.

Text: Josef Sommer Foto: TangenteSt.Pölten / Bea Borgers

Seit mehreren Jahren spiele ich mit dem Gedanken, eine Reise nach Südkorea zu unternehmen. Vor allem deshalb, um mein Bild von der koreanischen Halbinsel zu vervollständigen. Eigentlich war ich ja schon da. Aber mein Ausflug nach Südkorea dauerte kaum zehn Minuten und ich konnte auch nicht weiter als fünf Meter in das Landesinnere vordringen. Dann stand ich buchstäblich vor verschlossenen Türen.

Das hat damit zu tun, das ein Grenzübertritt vom Norden Koreas in den Süden und vice versa nicht möglich ist. Hin und wieder dürfen jedoch Touristen – von beiden Seiten, aber nie gleichzeitig – eine der blauen Baracken, die direkt auf der Grenzlinie bei Panmunjom errichtet wurden, betreten. So konnte ich im Rahmen meiner Nordkorea-Reise vor zehn Jahren auch einen kurzen Abstecher nach Südkorea unternehmen.

Diesem Land und seinen Menschen weit näher gebracht, hat mich allerdings Jaha Koo mit seiner Performance Haribo Kimichi, die über achttausend Kilometer von Panmunjom entfernt in der Bühne im Hof in St. Pölten stattfand.

Mein Blick von Südkorea in den Norden. Der Betonsockel ist die sichtbare Grenze zwischen den beiden koreanischen Staaten. (Foto: Josef Sommer)

Der singende Reiskocher

Der südkoreanische Theatermacher und Komponist Jaha Koo lud die Besucher:innen der Vorstellung in einen Pojangmacha, einen typischen Spätimbiss, der in den Straßen Südkoreas weit verbreitet ist. Während er dort Speisen zubereitete, erzählte er von seiner Heimat, seiner Familie, seinen Erlebnissen als Auswanderer und von der koreanischen Esskultur insbesondere von der Nationalspeise Kimchi, den fermentierten Kohl, der – sowohl im Norden als auch im Süden – zu praktisch jeder Mahlzeit aufgetischt wird.

Oft verbindet Koo diese Themen inhaltlich und nutzt dabei neben der Live-Erzählung auch Video-Einspielungen. Dazwischen gibt es außerdem einige Musiknummern, die zum Teil von Roboter-Performern „dargeboten“ werden, etwa einem bunt leuchtenden Aal, der sich einige Male über die Bühne schlängelt, oder einem blinkenden Reiskocher. Zusammen mit dem Duft der zubereiteten Speisen, ergibt sich auf diese Weise für die Zuschauer:innen – zumindest habe ich es so empfunden – eine einzigartige Atmosphäre in der man unterhalten, informiert, zum Nachdenken angeregt aber vor allem dem Land Südkorea ein ganz großes Stück näher gebracht wird.

Jetzt kann die Performance meine geplante Reise nicht ersetzen, sie hat mich aber ganz im Sinne des Konzepts der Tangente – im wahrsten Sinne des Wortes – berührt. Und mich dadurch bestärkt, mein Bild von Korea endlich zu vervollständigen.

Prev Next