Evi Leuchtgelb ist eine der Künstler*innen der „Stadt-Galerie“: Leerstehende Geschäftslokale und Schaufenster in der St. Pöltner Innenstadt wurden zum Leben erweckt. Durchaus meinungsstark.
Text: Carlotta Partzsch
Fotos: eSeL.at – Lorenz Seidler
In den letzten Wochen der Tangente St. Pölten (12. September bis 6. Oktober 2024) verwandelte das Projekt „Stadt-Galerie“ das Stadtzentrum in eine Freiluftgalerie. Künstler*innen, die über einen Open Call ausgewählt wurden, präsentierten an ungewöhnlichen Locations ihre Arbeiten: Ausstellungsorte sind leerstehende Geschäftslokale sowie deren Schaufenster oder deren Schaukästen an Hauswänden. Eine der Teilnehmer*innen war die Bildhauerin und Künstlerin Evi Leuchtgelb. Mit KREDO sprach sie über ihre künstlerische Arbeit und die Bedeutung von Kunst im ländlichen Raum.
Meinungen als Kunstobjekte
Schon früh war Evi Leuchtgelb Teil der Bewegung, die Sankt Pölten zur Europäischen Kulturhauptstadt machen wollte. Als daraus nichts, aber aus der Tangente etwas wurde, sah sie das Projekt „Stadt-Galerie“ als ihre Chance, sich bei diesem Festival einzubringen. Leuchtgelb wählte ein leerstehendes Geschäftslokal im Herrenhof als Schauplatz für ihre Installation mit dem Titel „Meinungs(aus)verkauf“. Das Schaufenster ihrer „Meinungsbörse“ zierte schon vor dem Projekt ein Schriftzug: „Begutachtung und Schätzung kostenlos“. Evi Leuchtgelb, die gerne in situ, also ortsbezogen, arbeitet, ließ sich davon inspirieren. Von der Tangente vorgegeben war das Thema Demokratie. [Ein Interview mit dem „Stadt-Galerie“-Kurator Andreas Fränzl lesen Sie hier.]
„In meiner Arbeit ging es darum, Meinungen zu ‚verkaufen‘ – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen“, erläutert Leuchtgelb. So konnten Besucher*innen ihre eigenen Meinungen kundtun, die Künstlerin nahm sich die Zeit und hörte zu – ohne zu bewerten. Ob eine Meinung „angekauft“ wurde, entschied Leuchtgelb nach ihren eigenen Kritierien, ausgeschlossen waren rassistische oder andere diskriminierende Aussagen. Für die Unentschlossenen gab es die Möglichkeit, ihre Meinung zunächst als Pfand zu hinterlegen. Die Meinungsbörse sollte so den Wert der freien Meinungsäußerung als zentralen Aspekt der Demokratie betonen.
Kunst im ländlichen Raum
Es fehlt in Sankt Pölten an Kunsträumen und Galerien, gleichzeitig stehen viele Geschäftslokale in der Innenstadt leer. Die „Stadt-Galerie“ war dabei für Leuchtgelb und die anderen Künstler*innen nicht nur eine Möglichkeit, ihre Werke mitten in Sankt Pölten zu präsentieren, sondern schuf auch Aufmerksamkeit für das grassierende Leerstandsproblem in der Innenstadt. Ein weiterer Aspekt war die Vernetzung unter den Kunstschaffenden: „Wir trafen uns regelmäßig donnerstags, um über unsere Arbeiten zu sprechen“, erzählt Leuchtgelb. Obwohl am Ende vor allem individuell an den Beiträgen gearbeitet wurde, berichtet die Künstlerin sehr positiv von dem Austausch.
Evi Leuchtgelb lebt gerne in der Umgebung von Sankt Pölten und möchte sich bewusst in der „Provinz“ verorten. Die Stadt-Galerie sei ein kurzweiliges Projekt gewesen, erzählt sie, und habe gezeigt, wie viele Künstler*innen Bezug zur niederösterreichischen Landeshauptstadt haben: „Es gibt viele professionelle Künstlerinnen und Künstler auf dem Land“, so Leuchtgelb. Die Tangente hat versucht auch das zu zeigen – neben zahlreichen Einladungen von teils sehr bekannten internationalen Künstler*innen. Leuchtgelb kann sich auch vorstellen, mit dem Material von „Meinungs(aus)verkauf“ weiterzuarbeiten. Wie sie im Herbst 2024 im Kontext der Nationalratswahlen feststellen konnte, gewinnt ihre Idee einer künstlerisch eingebetteten Meinungsbörse gerade in zeitlicher Nähe von Wahlen an Relevanz – als ein anderes Forum des Meinungsaustauschs abseits von Social Media und Chatgruppen.