Philippe Quesnes Theaterstück „Garten der Lüste“ klingt vielversprechend. Im Klappentext. Tatsächlich handelt es sich um eine Melange aus wild zusammengestückelten Textfragmenten und Menschen mit Cowboyhüten.
Text: Felicia Schätzer
Eigentlich ist das ja lustig: Eine Touristengesellschaft fährt mit dem Bus in die Zukunft. Sie sehen sich um, schauen, dass es allen gut geht, fällen demokratische Entscheidungen und schlagen sich mit seltsamen Ritualen die Zeit um die Ohren. Gleich nach dem Aussteigen wird beispielsweise ein Rede-Kreis alias Rede-Oval erstellt.
Ist das absurdes Theater oder …
In diesem soll nun ein Vortragsabend stattfinden, um selbstgeschriebenen Gedichten zu lauschen oder sich gegenseitig Songs vorzuspielen, die in Tänze oder Vorführungen ausarten. Es bleibt vollkommen unklar, warum inmitten des Ovals zwei mit Steinen und Büchern befüllte Koffer liegen, in denen ein selbsternannter Moderator die anderen ermutigt, das Mikrofon zu suchen. Während der ersten Stunde des Stücks ist diese Skurrilität, die ans absurde Theater (etwa: Warten auf Godot) erinnert, interessant und unterhaltsam – und auch das Publikum lacht immer wieder ausgelassen.
Aber irgendwann wird es zäh. Denn wenn dieses Theater keine Grenzen mehr kennt oder diese Absurdität nicht mehr damit aufhört, „Nichts“ zu produzieren, ist zuzuschauen irgendwann auch nicht mehr so spannend. Trotz sensationellem Bühnen- und Raumeinsatz.
Ursprünglich ist Philippe Quesne Bühnenbildner, und dass er das gut kann, offenbart sich in allen seinen Theaterprojekten: Wenn man die Homepage seiner Kompanie Vivarium Studio öffnet, mit der er die letzten 20 Jahre als Kollektiv gearbeitet hat, wird seine originelle Inszenesetzung des Raums ersichtlich. Die Bühnen saugen einen ins Geschehen hinein.
… einfach nur belanglos?
So auch am 27. September im Festspielhaus St. Pölten: Die Kulisse von „Garten der Lüste“ wirkt. Ein Autobus links, ein paar Häufchen Schutt mittig, mehrere Digitalanzeigen rechts. Im Hintergrund eine weiß-beige Leinwand, die Sci-Fi-Atmosphäre produziert. Neben dem Fahrzeug stehen vertikal verlängerbare Lautsprecher und eine Riesen-Erdbeere. Der Schauplatz erinnert an den Film „Dune“ von Denis Villeneuve.
Anschließend beginnt das Stück damit, dass ein überdimensionales „Dino-Ei“ herangerollt und inmitten der Steinchen am Boden eingebettet wird. Die Reisegruppe beginnt mit der Besichtigung des Ortes. Auf welche Art von Zukunft steuern wir also in diesem Szenario zu? Apokalypse? Dystopie? Utopie? Diese Frage soll – laut Begleittext – in „Der Garten der Lüste“ eruiert werden. Das passiert aber auf einer so poetischen, unkonkreten Art und Weise, dass man tatsächlich nichts versteht.
Nach den zwei Stunden bleibt also wenig Handlung über. Kein engerer Zusammenhang erschließt sich. Ein vorgetragenes Gedicht über eine Fliege, die einem beim Beten in den Mund fliegt, ist da nur ein Beispiel. Wenngleich die Schauspieler:innen des Vivarium Studio alles geben und viel können (zum Beispiel einen Sessel im Gesicht balancieren oder auf allerlei Instrumenten musizieren), reicht das irgendwann nicht mehr aus, um von der gähnenden Inhaltsleere des Textes abzusehen.
Langeweile auf toller Bühne
Spätestens dann, wenn nur noch unzusammenhängende Sätze à la „Kinder schauen in einen Brunnen“ oder „Die Wahrheit ist ein Tropfen“ aneinandergereiht werden, hat man nicht mehr sonderlich viel Lust auf diese Form von Originalität und wünscht sich, dass die Sache bald ein Ende hat.
Was das Stück vorgab zu verhandeln, nämlich eine Zukunftsperspektive in Anbetracht unserer vielen gesellschaftlichen Probleme zu geben, wird nicht eingelöst. Das ist schade, denn eigentlich wäre das interessant gewesen. Das Ende verdeutlicht diese seichte Uneindeutigkeit nur allzu gut: Die Reisegruppe fährt durch eine göttliche Eingebung einfach zum nächsten Ort weiter. Wie langweilig. Ist man deswegen nun tatsächlich so lange sitzen geblieben?