Kritiken

Postapokalyptische Simulation in Videospielästhetik

Benannt nach dem Gedicht von T. S. Eliot, ist die Erlebnis-Installation „Wasteland“ eine Hommage an das Ödland. Sie macht die Landschaft zur Akteurin und die Besucher*innen zu Protagonist*innen.

Text: Carlotta Partzsch, Fotos: Benedikt Wolfsberger

Hinter der ehemaligen Fabrik von Glanzstoff Austria liegt eine Brache mit staubigem Kiesuntergrund und Gestrüpp. Sie dient der Theaterregisseurin Susanne Kennedy und dem Multimediakünstler Markus Selg als Bühnenbild für ihre immersive Installation „Wasteland. The Great Simplification“. Der heiße Nachmittag ergänzt das Erlebnis perfekt. Die Besucher*innen bewegen sich allein oder zu zweit über das Gelände. Zwischen alten Ölfässern, aus denen Rauchschwaden aufsteigen, und einem surreal wirkenden Motorboot, das mitten in der Landschaft steht, beeindruckt auch die Pflanzenvielfalt. Flechten, Sträucher, Büsche und Kräuter aller Art wuchern hier. 

Die Klanglandschaften von DEBIT alias Delia Beatriz ergänzen die visuelle Inszenierung. Ihre elektronische Musik verstärkt die Eindrücke und schafft eine dichte, fast greifbare Atmosphäre. Neben der Musik sind auch Grillen zu hören. Die Ästhetik der ganzen Situation erinnert an ein Computerspiel. Das Publikum wird zu einem Charakter in dieser Spielwelt, der sich auf Erkundungstour begeben hat. Aufmerksam lauschend und beobachtend laufen die Besucher*innen durch die Landschaft und werden so Teil der Szenerie.

Sonnentempel und Opfergaben

Am östlichen Ende des Geländes befindet sich eine Betonruine, die Kennedy und Selg „Temple of the Sun“ nennen. Geht man auf diesen Tempel zu, kommt man an einem Totem vorbei. Die weiße Skulptur ragt in den Himmel, zu ihren Füßen befindet sich ein Altar, darauf liegt eine tote Schlange. Glänzende Fliegen drängen sich an den gemusterten Schuppenkörper. Ein beißend süßer Gestank füllt die Luft, im Gestrüpp verteilt liegen große Tierknochen. Die mystische Simulation ist gelungen.

Durch die großen Beton-Arkaden des sogenannten „Sonnentempels“ lässt sich das Gelände wie auf einer Leinwand betrachten. Die Figuren im Videospiel werden wieder zu Zuschauer*innen. Drei längliche LED-Screens hängen von der Betondecke und übertiteln den Ausblick. Auf einem ist T. S. Eliots Gedicht „The Waste Land“ zu lesen. Der nächste Screen zählt alle Pflanzen auf, die hier wachsen: Gewöhnlicher Natternkopf, Schmalblättriges Greiskraut, Hopfenklee, Beifuß, Johanniskraut, viele mehr. Auf dem dritten Screen laufen vage Beschreibungen zu den einzelnen Stationen innerhalb der Installation.

Game over oder Restart?

Die Installation evoziert Fantasien vom Ende der modernen kapitalistischen Gesellschaft oder von einem Davor. Wie das Gedicht „The Waste Land“ behandelt sie ein mögliches Ende des Ist-Zustands. Das Boot in der Wüste erinnert an eine Gegenwart, die schon vergangen ist. Gleichzeitig scheinen der Totem, die Opfergabe und die Feuerstelle wie Reliquien aus der Vergangenheit, die in der Installation eine prognostische Relevanz bekommen. Die Apokalypse scheint aber schon vorbei.

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