Kritiken

Königinnen in der Krise

„Maria Stuart“ überzeugt in der Version von Amir Reza Koohestani vor allem durch die gute Besetzung.

Text: Carlotta Partzsch
Fotos: Franzi Kreis

Schillers klassisches Drama über die weggesperrte Königin Schottlands und die Intrigen am Hof der Königin Elisabeth von England ist Stoff für große Bühnen. Der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani komprimiert es in einer Fassung von Mahin Sadri zu einem einfachen Stück, das nur den vorderen Bereich der Bühne im Landestheater Niederösterreich bespielt. 

Machtspiel zwischen Thron und Kerker

Maria Stuart, Königin von Schottland sitzt im Kerker, während Elisabeth, Königin von England Skincare betreibt und sich mit ihren vermeintlichen Verbündeten berät. Die Gefangene hat Anspruch auf den Thron, deshalb ist sie ein Problem für die amtierende Königin. Gott sei Dank war Maria am Mord ihres Ehemanns beteiligt und kann so getrost jahrelang eingesperrt werden. Am liebsten wäre Elisabeth Marias Tod, allerdings wäre damit das Volk unzufrieden. Elisabeth, die um ihre Beliebtheit bangt, fragt sich also, wie Maria Stuart weniger Schaden anrichten kann: tot oder lebendig.

Zwei Schauspielerinnen auf der Bühne
Clara Liepsch (sitzend) als Gräfin von Leicester und Carlone Baas (stehend) als Dienerin Hanna stehen vor einer düsteren Projektion der Königin Elisabeth, dargestellt von Julia Kreusch. (Foto: Franzi Kreis)

Der Graf von Leicester wird in dieser Version zur Gräfin von Leicester und ist Liebhaberin beider Königinnen. Ein richtiges Liebesdreieck scheint es aber nicht zu sein, denn Leicester, überzeugend verkörpert von Clara Liepsch, ist vor allem Opportunistin. In Maria sind eh alle verliebt, vor allem natürlich Mortimer, der von Lukhanyo Bele gespielt wird und der einzige Mann auf der Bühne ist. Interessant ist, dass er auch die emotionalste Figur darstellt. Er ist liebesblind und wird unvorsichtig beim Versuch, Maria zu befreien. Alle anderen versteigen sich in Kalkül und Strategie, um entweder Elisabeths Macht aufrechtzuerhalten oder Marias wiederherzustellen.

Doppelrolle für Julia Kreusch

Der Wahnsinn der Geschichte erreicht dadurch ein neues Level, dass Julia Kreusch sowohl Elisabeth als auch Maria Stuart spielt. Einzig die Szene, in der Maria und Elisabeth aufeinandertreffen, leidet unter dieser Entscheidung. Da kommen technische Hilfsmittel zum Einsatz. Generell spart Regisseur Koohestani nicht an Video-, Licht- und Soundeffekten. Auch Kostüme sind wichtig, nicht zuletzt, wenn sich Julia Kreusch von Elisabeth in Maria und andersrum verwandelt.

Zwei Schauspieler:innen auf einer Theaterbühne
Julia Kreusch – hier als Maria Stuart – und Lukhanyo Bele als Mortimer. (Foto: Franzi Kreis)

Abweichend vom Original ist auch die Existenz zweier Dienerinnen, die sich aus der Teilung von Schillers Figur der Hanna Kennedy in eine Hanna und eine Kennedy ergeben. Kennedy übersetzt, was Maria sagt, denn die spricht nur Englisch. Auch sonst ist sie der Königin von Schottland treu und versucht Elisabeth zu überzeugen, Maria am Leben zu lassen. Kennedys Schwester Hanna ist unpolitischer, aber in Mortimer verliebt.

Stimmung: beengt

Dem Stück gelingt es, auf elegante Art subversiv zu sein, feine Anspielungen auf die Situation der Frauen im Iran fallen nicht direkt auf. Die Reduzierung ist gelungen, allerdings geht auch einiges an Pathos verloren. Das Stück wirkt durch die räumliche Beschränkung etwas beengt und wäre sicherlich auch mit weniger Soundtechnik ausgekommen.

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