Ein Kunstparcours im öffentlichen Raum St. Pöltens zeigt seinen Besucher*innen „The Way of the Water“ – kuratiert von Joanna Warsza und Lorena Moreno Vera.
Reportage: Mahsa Ehsani
„The Way of the Water“ – oder treffender gesagt „the women of the water“ – führte/n in der Eröffnungswoche der Tangente St. Pölten ihre Gäst*innen auf einen „walk of peace“. Es war der zweite Tag, an dem Festivalbesucher*innen den Kunstparcours gemeinsam mit Künstler*innen beschreiten durften. Startpunkt war diesmal an der Traisen unter der Westbahnbrücke, wo gleich die erste Installation von der mexikanisch-chilenisch-österreichischen Künstlerin Amanda Piña zu sehen war. Eine blaue Qualle aus Textilien, die in Mexiko angefertigt wurde, hing von der Brücke herunter. Genau darunter war im Wasser ein Blumentopf platziert, der den Dank ans Wasser für seine vitalisierende Zusammenarbeit symbolisieren sollte.
Schnelles Wasser
Dynamisch ging es weiter mit einem Zwischenstopp auf einer Brücke, wo Regina Hügli uns verriet, was „Traisen“ etymologisch überhaupt bedeutet, nämlich: „the swift one“, also auf deutsch „die Schnelle“. Übernommen wurde das aus dem Keltischen. Außerdem erzählte sie über das wechselseitige Zusammenspiel von Ökologie und Ökonomie. Ein prägendes Beispiel wäre die Verlegung der Mündung der Traisen im Jahr 1976 wegen des Baus des Donaukraftwerks.
Anschließend waren wir schon bei meinem perönlichen „gem of the water“ angelangt. 80 handbemalte Schilder aus Sperrholz, auf denen jeweils der Name eines Flusses steht, der für Cecylia Malik und andere Mitwirkende eine Bedeutung trägt – von Traisen über Vjosa, die letztens in Albanien zu einem Nationalpark wurde, bis zum Klamath River in den USA, der bald von Dämmen frei sein wird. Gefolgt wurde Maliks Rede von einem unbeschreiblich berührenden maorischen Gesang von Dr. Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse. Nachdem sie alle Teilnehmenden schon in ihren Bann gezogen hatte, sagte sie – the cherry on top of her performance:
„I walk for peace. We are not people of war, we are people of peace.“
Dr. Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse
Gleich im Anschluss darauf verwies sie auf die Unruhen weltweit, aber besonders auf jene in der Ukraine und in Gaza. Dass ihre Solidarität über die imaginär gezogenen Grenzen vieler im Westen hinausging, verdeutlicht, dass sie zurecht den Namen „flying, hopping peace star“ trägt. Denn leider ist es in den vermeintlich neutralen Diskursen des globalen Nordens tatsächlich sehr selten der Fall, dass das Leid der Palästinenser*innen genannt und als solches anerkannt wird. Deshalb ist es umso wichtiger und berührender, wenn man solche lang ausständigen Solidaritätskundgebungen hört. Besonders in Orten wie NÖ, einem Bundesland, das schwarz-blau regiert wird.
Station in der Moschee
Es folgten noch einige interessante Stationen wie das Kunstwerk „Two Friends“ von Eva Grubinger und Werner Feiersinger oder die Installation „Awasqa Kayku“ von Paola Torres Núñez del Prado. Da wir schon einige Meilen zurückgelegt hatten und das Wetter uns auch schwer zu schaffen machte, erlebten wir den nächsten Ort, die Mevlana-Moschee, als eine Oase.
Nachdem alle einen Platz im Hof der Moschee gefunden hatten, wurden wir von Clara Laila Abid Alsstar, der Künstlerin dieser Station, begrüßt. Während sie eine kurze Vorstellung ihrer Arbeiten machte und im Hintergrund Gedichte und Geschichten von lokalen jungen Muslim*innen wie Ebra Kocyigit, Yagmur Kocak und Malika Takhadzhieva zu hören waren, bekamen wir von Taha Rosenwasser zur Reinigung der Hände.
Während wir nur die Hände reinigten, zeigte uns die Künstlerin, wie das Wasser bei Wudhu, der muslimischen Gebetswaschung seinen Weg zu einer umfassenderen Reinigung findet. Es beginnt bei den Händen, die dann in Folge den Mund, die Nase, das Gesicht, die Arme, die Ohren und zuletzt die Füße reinigen. Diese Waschung der Oberfläche ist notwendig, um dann während des Gebets das Innere einer Reinigung unterziehen zu können.
Schließlich ging es in die Moschee – zum zweiten Teil der Ausstellung. Als allererstes präsentierte Ebra Kocyigit den Wasserfall aus traditionellen Tülbents der türkischen Kultur, wo jedes von ihnen eine einzigartige Farbe und ein besonderes Muster hatte. Ein Wasserfall aus Hijabs. Was für eine wunderbare Idee, diese Tücher mal abseits der pseudofeministischen Perspektive zu sehen, wo sie auch gewissermaßen das Tragen von Hijabs an sich widerspiegeln. Nämlich, dass jede Hijabi ihren eigenen Grund, ihre individuelle Intention zum Tragen des Hijab findet. Aber, ob und wann dieses Faktum hierzulande bei den selbsternannten Frauenaktivist*innen ankommen wird, bleibt eine offene Frage.
Zamzam-Wasser für die Kunst
Auf den Teppichen, die von der Mevlana-Moschee bereitgestellt wurden, waren noch einige Keramikarbeiten, wie etwa eine Schüssel, eine Wasserkanne oder ein Blatt zu betrachten. Letzteres wurde von Yagmur Kocak gefertigt, die laut eigenen Angaben das Leben und das Sein in einer Gemeinschaft, wie es die Blätter bei einem Baum sind, symbolisieren sollte. Ein weiterer unvergesslicher Teil dieser kollektiven Kunstarbeit war das heilige Zamzam-Wasser aus Mekka, das in einem Kanister jedem angeboten wurde, der/die davon kosten wollte.
Nachdem Dr. Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse das Zamzam-Wasser zu sich genommen hatte, fragte sie Clara Laila Abid Alsstar, ob sie denn ein Friedensgebet auf maorisch singen dürfe. Abid Alsstar verwies auf die Moschee-Besitzer. Daraufhin die beiden Männer: „Natürlich, natürlich! Peace is immer gut. Islam is peace!“
Und dann nahm Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse wieder mit ihrer kräftigen Stimme nicht nur unsere Ohren, sondern auch unsere Herzen ein. Und gewiss hatte ihr Friedensgebet in der Sekunde gewirkt, denn Friede war auf jedem Gesicht zu sehen, und in der gesamten Atmosphäre im Hof der Mevlana-Moschee zu spüren.