Reportagen

War’s das jetzt mit dem Löwinnenhof*?

Schlussakt oder neuer Anfang? Ein St. Pöltner Altstadthof kämpft um seine Zukunft.

Text: Felicia Schätzer

Am 6. Oktober 2024 endet die Tangente und damit auch die Betriebsstättengenehmigung des Löwinnenhofs* in der St. Pöltner Innenstadt. Dieser wurde in den letzten Monaten als soziokultureller Ort der Begegnung und multifunktionales Festivalzentrum genutzt. Vieles hat gut funktioniert. Nun stellt sich die Frage, was nach dem Finale der Tangente aus diesen Räumlichkeiten wird. Es heißt Bilanzziehen und Pläneschmieden.

Rummel im Löwinnenhof* bei der Tangente-Eröffnung. © Joanna Pianka

B

Bäume gegen die Leere

Bis auf die allbekannten Flaniermeilen wirkt die St. Pöltner Altstadt an manchen Tagen doch recht ausgestorben. Wenn man zum Beispiel von der vielbesuchten Kremser Gasse in die Linzer Straße einbiegt, wird es doch schnell leise. Dazu kommen leere Schaufenster, aufgelassene Geschäfte oder ein Dönerladen ohne Gäste. Eigentlich schade, dachten sich einige Menschen, die in der Linzer Straße regelmäßig denken, arbeiten und verweilen, und sie entwickelten Ideen zur Aktivierung des Straßenzugs: Da wäre etwa das vergangene Straßenfest vom 4. Mai oder das kommende am 21. September. Kinderdisco, Straßenfrisör und Pflanzenmalkurse für alle. Ein weiteres Projekt sind die seit ein paar Wochen neben dem Gehsteig aufgestellten Bäumchen, die der Straße Leben einhauchen und gesunde Luft schenken. Silberne Serifenlettern über dem Hauseingang von Nummer 16 verraten, wo Verantwortliche an ihren Ideenumsetzungen getüftelt haben – im Löwinnenhof*.

Was früher eine Disco war, ist heute also Festivalzentrum der Tangente, Ein kollektiver, ebenbürtiger Ort des Miteinanders ist hier entstanden. Für alle. Die Umbenennung von Löwenhof in Löwinnenhof* ist übrigens schon 2022 erfolgt und war eine Idee der Initiator:innen des ebenfalls im Innenhof ansässigen Vereins KulturhauptSTART. Die Bestrebung war, einen Ort für mehr Queerness und Offenheit mitten in St. Pölten zu schaffen. Der Verein ist zudem für die Entstehung der Tangente mitverantwortlich: Er hat schließlich St. Pöltens Einreichung zur Europäischen Kulturhauptstadt konzipiert. Erst nach deren Scheitern (Gratulation an Bad Ischl!) entstand die Tangente. KulturhauptSTART wird es also auch nach dem Ende der Tangente noch geben – was die Frage, wer sich für die Zukunft des Löwinnenhofs* verantwortlich fühlen könnte, umso interessanter macht.

Abgesehen von Tangente und KulturhauptSTART finden sich im Löwinnenhof* auch Privatwohnungen sowie weitere ins Areal eingemietete Vereine wie die NÖDOK oder ein Frauenhaus.

Werklabor, Bühne, Diskussionsraum

W

Was kann man nun im Löwinnenhof* tun? Für diese Antwort muss ausgeholt werden, denn hier ist Konzept Programm: Raum für alle(s) bieten. Und alles ist viel. Am Wochenende kann man Ausstellungen ansehen, sich als Kunstschaffende für eine Residency bewerben oder co-worken. Man kann in den großen Werkstattlabors Bühnenutensilien bauen, tüfteln und sich bewegen. In einer veganen Kantine werden an heißen Sommertagen Rhabarber-Minz-Limonaden offeriert, und während einer Entdeckungstour auf den bis zu drei Stockwerken findet man neben Büroflächen und Veranstaltungsbühnen auch den Teppichraum hinter einem SCOBYLab. Es gibt also immer was zu tun, immer einen Weg, sich zu informieren oder zu partizipieren. Und wenn man gerade keine Lust auf Programm hat, ist sitzen, rasten und verweilen genauso willkommen. Genau dafür wurde der Innenhof in den letzten Monaten ja auch so liebevoll gestaltet: Bunte, selbstgeschreinerte Sitzgelegenheiten, eine Stahltribüne und viel, viel Grün. Mit etwas Glück ist sogar genau dann, wenn man sich hinsetzen will, ein Chili sin Carne fertig geworden.

Viele verschiedene Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein © Patrick Salfinger

„In St. Pölten geht alles nach einem Jahr ein“

All das klingt nach Kulturzentrum-Utopie. Ganz ohne Probleme geht es dann doch nicht. Thema Lautstärke: Bis 22 Uhr sollten es nicht mehr als 93 Dezibel sein, weil sich sonst Mieter:innen beschweren. Thema Kälte: Der Löwinnenhof* müsste ordentlich generalsaniert und heizfähig gemacht werden, um über den Winter bespielbar zu sein. Es bräuchte Gutachten, neue Genehmigungen und viel, viel Geld. Dieses Sanierungsbudget müsste zusätzlich zu Personal- und Programmbudget zur Verfügung gestellt werden. Die Förderanträge für diese Budgetierungen wären zunächst aber unfinanziert. Da wären wir schon bei der ausschlaggebenden Frage: Was soll mit dem Löwinnenhof* in Zukunft passieren? Was ist sein Profil, wer die Zielgruppe? Welche Prioritäten sollen bei der Programmgestaltung gesetzt werden? Was braucht St. Pölten? Kann es so multifunktional weitergehen wie bisher, oder ist das zu utopisch?

Was zum Beispiel beim WUK in Wien funktioniert hat – also die Etablierung eines vielfältigen, vielbesuchten Kulturzentrums – sieht eine Anrainerin für die Stadt St. Pölten kritischer: „Einerseits muss man dem Kennenlernprozess des Löwinnenhofs* Zeit geben, aber andererseits gehen in St. Pölten auch viele gut konzipierte Institutionen wie das Java-Familiencafé nach einem Jahr wieder ein.“ (Das Java-Café bot Jugendlichen, die Sonderschulen oder Jugendcoachings besuchten, einen Arbeitsplatz). Es geht darum, das passende Konzept zu finden – auch vor dem Hintergrund, dass erstens Kultur nicht bei allen Bewohner:innen der niederösterreichischen Landeshauptstadt an oberster Stelle steht und zweitens die Stimmung für progressive Kulturförderung nach der kommenden Nationalratswahl nicht die beste sein könnte. Was, wenn das neue Kulturzentrum gar nicht gebraucht wird – oder gar nicht finanziert werden kann? Könnte die Bespielung des Löwinnenhofs* nach teurer Sanierung am Ende doch zum Scheitern verurteilt sein?

Wird der Löwinnenhof der Zukunft lediglich ein Ort zum Abhängen sein? © Patrick Salfinger

K

Kinderbetreuung und Kooperationsprojekte

Für eine im wahrsten Sinne des Wortes blühende Zukunft des Löwinnenhofs* braucht es ein kollektiv erarbeitetes Konzept lokaler Akteur:innen, sagt auch der Verein KulturhauptSTART: Bei monatlichen „Zukunftsstammtischen“ soll offen diskutiert werden. Die Grundbedingungen stehen aber fest: Der Löwinnenhof* soll auch weiterhin ein soziokultureller, antirassistischer, demokratischer Raum der Gleichberechtigung bleiben.

Ein Café als Ort des Zusammenkommens würde sich gut anbieten, beispielsweise, um dort Sprachkurse, Kocheinheiten oder Arbeitsberatung zu initiieren. Als weitere Idee wurde eine Kinderbetreuung vorgeschlagen, wodurch sich Frauen mit Kindern im Löwinnenhof* besser engagieren könnten. Muhammet Ali Baş, einer der Kurator:innen und Vermittler:innen der Tangente, regt zu Kooperationen mit anderen Vereinen an: „Wieso müssen beispielsweise die Leute vom Diversity-Café für ihren wöchentlichen Brunch in ein extrem heißes Jugendzentrum gehen, wenn es zwei Minuten entfernt einen so schönen Platz mit kühlem Innenhof gibt?“.

Der Löwinnenhof* sollte ein Ort der „sozialen Aktivierung“ sein, wie Baş es nennt: Wer einmal hierher kommt – aus welchem Grund auch immer –, stößt sofort darauf, was es hier sonst alles gibt und auf die Multifunktionalität des Löwinnenhofs*. Entscheidend sei die Kontinuität: Es muss laufend etwas geboten werden, damit Menschen gerne wiederkommen.

Einmal noch Tangente

Im Löwinnenhof* ist also viel passiert, und natürlich wäre es schön, wenn das weiterhin so bleibt. Trotzdem sollte auch nicht vergessen werden, was jetzt gerade ist: Nämlich der letzte Tangente-Monat zum Schwerpunkt Demokratie. Dieses Löwinnenhof*-Programm steht fix. Darauf kann man sich freuen. Wer sich trotzdem schon jetzt für die Zukunft des Ortes engagieren oder informieren will, kann einfach am 26.9. zum nächsten Zukunftsstammtisch kommen – oder, fast noch besser: mit anderen Besucher:innen beim Straßenfest am 21.9. plaudern.

Prev Next