Kritiken

Überschwemmte Häuser und fliegende Flüsse

Wenige Tage nach dem Hochwasser in Niederösterreich kommen bei „The Art of Assembly“ verschiedene Stimmen zusammen, um über Wasser zu sprechen. 

Text: Carlotta Partzsch

„The Art of Assembly“ ist eine nomadische Veranstaltungsreihe des Kurators Florian Malzacher, bei der Denker*innen aus Kunst, Theorie und Aktivismus von Mal zu Mal wechselnde Themen diskutieren. Unter dem Titel „The Right to Flow: Water as Source of Life, Conflict, and Legal Utopias“ trafen sich am 21. September Edson Krenak Naknunuk, Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse, Kathrin Röggla und Elisabeth von Samsonow in St. Pölten.

Hochwasser vor der Tür

Diese Ausgabe der Reihe widmete sich also dem Thema Wasser und der Frage, welches Verhältnis der Mensch zum Wasser hat. Mit dieser Thematik befindet sich das Event nicht nur wegen des akuten Hochwassers in Niederösterreich am Puls der Zeit. So haben Bücher wie „Geflochtenes Süßgras“, „Der Pilz am Ende der Welt“ oder „Ökologie ohne Natur“, die sich alle mit Naturverhältnissen befassen, in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit bekommen. Die Klimakrise und ihre Auswirkungen werden zumindest im Kulturbürgertum immer mehr besprochen.

Drei Menschen bei einer Diskussionsveranstaltung
Wasser als Element, das uns alle verbindet: Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse (Mitte) erzählte von der mythischen Bedeutung des Wassers in Maori-Erzählungen. Links und rechts neben ihr: Kathrin Röggla und Edson Krenak Naknanuk. (Foto: art-of-assembly.net)

In jeweils zehnminütigen Impulsvorträgen präsentierten die Redner*innen ihre Perspektiven. Es startete Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse, Angehörige der Maori aus Aotearoa (die Maori-Bezeichnung für Neuseeland), mit einem Lobgesang auf das Wasser. Sie erzählt dem Publikum von der Verbindung der Maori zu dem, was wir „Umwelt“ nennen. Für die Maori, sagt sie, existiert die Dichotomie, die im Kapitalismus zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen gemacht werde, nicht.

Globale Abhängigkeiten

Nach ihr kam Edson Krenak Naknunuk, zu Wort, ein indigener Schriftsteller und Aktivist aus Brasilien und PhD-Kandidat in Rechtsanthropologie an der Universität Wien. Er berichtet von den Nebenflüssen des Amazonas und wie sie durch Lithiumminen verschmutzt werden. Krenak spricht auch über „fliegende Flüsse“, von denen ich persönlich noch nie etwas gehört habe. Dabei handelt es sich um Luftströme, die große Mengen Wasserdampf aus tropischen Regenwäldern transportieren. Diese Flüsse bringen die Feuchtigkeit über weite Entfernungen und sorgen für Regen in oft Hunderte oder Tausende Kilometer entfernten Regionen. Sie spielen eine wichtige Rolle im Wasserkreislauf und im Klima. Die Abholzung des Regenwaldes ist eine Bedrohung für dieses Naturphänomen und hat so Einfluss auf das Klima an anderen Orten.

Als nächstes hörten wir Kathrin Röggla zu, Autorin von Büchern wie „wir schlafen nicht“ oder des Theaterstücks „Das Wasser“. In diesem Stück geht es um die Klimakrise und die menschliche Verantwortung gegenüber der Natur. Röggla betonte wiederholt, dass sie sich beim Thema des Abends eigentlich nicht auskennt und berichtet vom Entstehungsprozess des Theaterstücks.

Das Landhaus in St. Pölten unter Wasser
So sah es in St. Pölten noch wenige Tage zuvor aus: Die Traisen trat Mitte September über die Ufer und überschwemmte auch das Landhausviertel. (Foto: Josef Sommer)

Die letzte Sprecherin der Runde, die Künstlerin Elisabeth von Samsonow, erzählte, wie sie mit 24 Jahren ein Haus gekauft hat, das alle ein bis zwei Jahre überschwemmt wurde. Der nahegelegene Bach war stark kanalisiert. Die fehlenden Auenbereiche und Schwemmflächen begünstigen Überschwemmungen. Außerdem verbrachte Elisabeth von Samsonow einige Zeit in Bangladesch, einem Land, das von Wasser geprägt ist, da es im Delta der Flüsse Ganges, Brahmaputra und Meghna liegt. Während das Wasser in Bangladesch eine wichtige Lebensgrundlage für Landwirtschaft und Fischerei ist, stellt es zugleich eine große Bedrohung für das Land dar. So ist Bangladesch immer wieder von Überschwemmungen, Taifunen, aber auch Dürren betroffen.

Diverses Podium, enge Zielgruppe

Am Ende diskutierten die vier Vortragenden miteinander. Mir hat gefallen, dass das Podium so divers war. Die Sprache kam wieder auf das Hochwasser und die Ambivalenzen, die sich aus unserer Beziehung zu Wasser ergeben. Die Klimakrise wird sich stark auf unser Verhältnis zum Wasser auswirken, wenn es um immer häufigere Dürren mit Wasserknappheit, um Unwetter und Überschwemmungen wie im September oder um den Anstieg des Meeresspiegels geht. Wie auch schon Autor*innen wie Timothy Morton oder Robin Wall Kimmerer, so legen auch die Redner*innen dieses Abends ihren Fokus darauf, dass der Mensch und die sogenannte Umwelt nicht voneinander getrennt betrachtet werden können.

„The Art of Assembly“ ist eine besondere Veranstaltungsreihe, die verschiedene Formen des Wissens zusammenbringt. Dabei scheint es nicht um perfekte Durchstrukturiertheit zu gehen, sondern eher darum, auch auf persönlicher Ebene Wissen und Erfahrungen zu vermitteln. „The Art of Assembly“ soll laut Website auch einen Ort des Widerstands darstellen, was ich für sehr wichtig halte. Versammlungen sind historisch zentrale Orte gesellschaftlicher Veränderung. Trotzdem scheint mir das Format sehr auf ein bestimmtes Publikum ausgelegt, die Weitergabe des Wissens reicht wohl nicht weit genug, um wirklich revolutionäre Kraft zu haben.

Fünf Menschen bei einer Diskussionsveranstaltung
Florian Malzacher (ganz links) moderierte das Gespräch auf dem Podium: Kathrin Röggla, Erena Rangimarie Omaki Ransfield Rhöse, Edson Krenak Naknanuk und Elisabeth von Samsonow (von links nach rechts, Foto: art-of-assembly.net)
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